Manchmal geht es gut aus. Aber man kann davon nicht leben. Höchstens hinterher. Gerd Ludwig ist so ein Beispiel. Er hat erst auf kickstarter Geld gesammelt, um Tschernobyl zu besuchen und dann daraus ein Buch und eine Ausstellung gemacht. Er blieb seinem fotografischen Langzeitprojekt treu und setzte es um.
Aber er hatte Menschen, die ihm geholfen haben und ein Umfeld, das ihn unterstützte wie man auf der kickstarter-Seite sehen kann. So bekam er das Geld zusammen, wobei 23.000 Dollar nicht wirklich viel sind.
Ebenso engagiert muß der Verlag gewesen sein, denn ein solches Buch verkauft sich nicht von selbst und ob das Drama von Fukushima hilft oder eher zum Wegschauen führt ist noch offen.
Herausgekommen ist beste Arbeit. Aber für mich ist es auch ein Beleg dafür wie gering die Möglichkeiten und wie groß der persönliche Einsatz sind, um sozialdokumentarische Fotografie in dieser Form umzusetzen.
Und dies ist das wahrscheinlich exponierteste Beispiel für die Versuche, journalistisch über den Tag hinaus zu arbeiten.
Kann man mit Dokumentarfotografie Geld verdienen?
Die Frage habe ich schon einmal gestellt. Da war die Antwort eindeutig. Jetzt sind wir etwas weiter.
Dokumentarfotografie als Verliererfotografie ist kein Ort für viel Geld.
Es sei denn die Verlierer zeigen, daß es auch die Gewinner treffen kann.
Oder aus der Dokumentarfotografie, die die Wirklichkeit zeigt, wird eine wirklichkeitsbezogene Fotografie, die Elemente der Wirklichkeit zur Konstruktion von Fotos nutzt.
Letzteres scheint der neue Weg zu sein, um bezahlt zu werden.
Dazu passt ein Statement der Bildagentur laif, das beschreibt wie sich ihr Geschäftsmodell verändert: „laif hat sich in den letzten Jahren in vielen Bereichen weiter entwickelt. Ursprünglich kommen wir ja sehr aus der Reise- und Reportagefotografie und dem Bildjournalismus/der Dokumentarfotografie. In allen diesen Bereichen haben wir auch weiter an Stärke zugenommen.
Gleichzeitig sind aber Corporatefotografie, Portrait, Beauty, Interior und Illustration gleichberechtigt hinzugekommen. Wobei wir auch hier weiter sehr viel Wert auf hohe Qualität legen. …Ich sehe laif zur Zeit in einem wichtigen Umbruch. Stand bisher die Lizenzierung von Nutzungsrechten an Bildern absolut im Vordergrund, so sehe ich, dass in letzter Zeit immer neue Geschäftsfelder dazu kommen und an Bedeutung gewinnen.“
So ändern sich die Zeiten und die Geschäftsmodelle.
Reportage ist eher out und persönliche Langzeitprojekte sind eher schwierig. Aber Peter Bitzer von laif will offenkundig der Beliebigkeit des Sachen+Dinge Fotografierens etwas entgegensetzen und betont in dem Interview: „Und was die Corporatefotografie angeht: Es gibt viele Beispiele die mindestens eine so starke Autorenschaft belegen wie in der früheren Magazinreportage.“
Es sind aber eben keine richtigen Reportagen mehr.
Damit verändern sich auch die Rollen. Ich würde es bei laif so verstehen, daß sie sich zu einem Dienstleister mit Funktionsfotografie verändern und die Berichte aus der Wirklichkeit daneben schrumpfen.
Bei der Agentur Photo VII hat man die Galerie in New York geschlossen und sucht gerade nach einem neuen Geschäftsmodell jenseits der reinen Reportage und ohne die journalistischen Wurzeln zu verlieren.
Und Agenturen wie Demotix drängen stark und fotografisch gut in den Markt der Ereignisse jenseits und diesseits der Smartphone-Fotografie. Sie zeigen differenzierte Bilder einer immer differenzierteren Wirklichkeit, die auch immer differenziertere Fotos braucht.
Da scheint der Markt zu liegen. Aber der Aufwand ist enorm und bezahlt wird ja immer erst hinterher.
Schaut man auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, dann bekommt man für Reportagen über deutsche Zustände kaum noch etwas. Mittlerweile gibt es neben laif gerade für Deutschland sogar Agenturen wie r-mediabase, die eine Art Gegenöffentlichkeit wollen. Hier steht wahrscheinlich das Engagement über dem Kommerz, weil Gegenöffentlichkeit meistens noch schlechter bezahlt wird.
So ist der gelungene Versuch von Gerd Ludwig Anlass für diesen Artikel.
Blicke auf die Wirklichkeit und Langzeitprojekte sind fast immer schwieriger zu verkaufen.
Ob wirklichkeitsbezogene konstruierte Welten zwischen Werbung gepackt der Ansatz für die neuen digitalen Bilderwelten sind und dies die Grundlage für die bezahlte fotografische Arbeit ist, werden wir sehen.
Das hängt ja auch alles mit Berufsbildern zusammen.
Vielleicht muß man hier neu denken und zur Kenntnis nehmen, daß die besten Fotografen der Wirklichkeit immer Autodidakten waren, die oft aus historischen und soziologischen Zusammenhängen stammten und andere Qualifikationen hatten als ein ausgebildeter Fotograf.
Und heute ist das Fotografieren technisch einfacher geworden aber die Umsetzung und das Verständnis von Inhalt, Aussage und Vermittlung nicht.
Darüber lohnt es sich nachzudenken und das wird dann weitere Artikel zur Folge haben.
Nachtrag einige Zeit später:
Anläßlich des Lumix-Festivals hat nun auch heise.de einen Artikel mit Rolf Nobel publiziert, der dies hier gut ergänzt mit speziellen Erfahrungen zur Situation des Fotojournalismus. So schließt sich der Kreis.
Text 1.1
Comment