Je nach Land ist es ganz einfach. In einigen Ländern darfst du ungefragt Menschen auf der Straße fotografieren – in anderen Ländern nicht.
In Frankreich, Deutschland und anderen Ländern muß man sich mehr anstrengen, wenn man Menschen fotografiert.
Entweder sind sie nur Teil eines größeren Ganzen und nehmen keine dominierende Stellung ein oder du hast das Einverständnis der Abgebildeten, wenn sie erkennbar sind.
Im Zweifel nur mit Einwilligung raten Rechtsanwälte.
Sonst kann so etwas passieren wie hier:
„Der Fotograf Espen Eichhöfer, Mitglied der renommierten Agentur „Ostkreuz“, fotografierte für eine Ausstellung über den Berliner Stadtteil Charlottenburg Passanten. Mitten im Gewühl kam eine Frau auf ihn zu – in einem eleganten Kleid und eiligen Schrittes. Eichhöfer wartete, bis sie nahe genug war und drückte ab. Und tatsächlich: Das Foto wurde im berühmten Ausstellungshaus „C/O Berlin“ gezeigt. Aber das hatte Folgen: Die Dame, die Eichhöfer fotografiert hatte, schickte ihren Anwalt los und forderte Unterlassung. Sie sah durch das Foto ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Das strittige Foto darf nun nicht mehr gezeigt werden.“
Das Ganze geht wohl noch juristisch weiter, so daß wir gespannt bleiben dürfen.
Mich erinnert dies alles an den Fall Nussenzweig. Es bleibt interessant.
Ich rate zur Fineart-Streetphotography, weil man so etwas eher vermeiden kann und zugleich hohe fotografische Ansprüche an die eigenen Fotos umsetzt.
Aber das klappt nicht immer.
Daher komme ich zu der Frage, was man tun kann, wenn es nicht so klappt.
Gehen auch Kopf-ab Fotos?
Wenn wir uns das Foto zu Beginn des Artikels betrachten, dann erzählt dieses Foto auch ohne Köpfe eine Menge Geschichten.
Das Foto symbolisiert sogar noch mehr. Es ist ein Symbol für das unterwegs sein und Menschen in Bewegung auf der Straße.
Und weil auch eine Taube zu sehen ist, zeigt es mehr als nur Menschen. Es zeigt den Flow der Welt und das Miteinander und die Flüchtigkeit – eben den Moment.
Hätten Sie eigentlich auf die Köpfe auf diesem Foto geachtet, wenn ich dies nicht angesprochen hätte?
Es gibt ja viele Fotos ohne Köpfe.
Jetzt achten Sie darauf?
Was empfinden Sie?
Sind die Köpfe notwendig für die Essenz des Fotos?
Oder sind es andere Bildbestandteile und Gegenstände auf dem Foto?
Hier sieht man das Foto mit den Köpfen überlagert von einer Vignette.
Verändert dies entscheidend die Bildaussage?
Verbessert dies das Foto und seine Aussage?
Die Köpfe sind also da und zu sehen, nur die Personen sind nicht direkt erkennbar.
Ist das besser oder schlechter?
Wie wirkt dieses Foto?
Nun noch eine Vintage-Kameraaufnahme des gesamten Fotos:
Hier sieht man auch, daß das gesamte Foto ein pures Straßenfoto, Streetfotografie, ist.
Der von mir gewählte Bildausschnitt betont die Dynamik und hätte auch für sich allein Bestand.
Wahrscheinlich wäre dieses Gruppenfoto kein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht.
Es ist Streetfotografie so wie es zu diesem Zeitpunkt war.
Menschen in Bewegung, Menschen mit Bedürfnissen, Menschen so bekleidet wie sie es wollen.
Menschen in Gruppen unterwegs und ein Blick auf Restaurants.
Der Punkt ist, es wäre mit der Methode der Fineart-Streetfotografie so zu dieser Zeit nicht möglich gewesen.
Das Einfangen des Boulevard zu dieser Zeit und die reale Darstellung war zu diesem Moment nur so möglich.
Damit zeigt das Foto das, was war.
Wenn es dann als Straßenfoto öffentlich gezeigt wird, ist es erforderlich, die in Deutschland geltenden Gesetze zu achten.
Selbst wenn es so ohne Verpixelungen legal wäre, halte ich doch mehr davon, dies alles einfach so zu zeigen, wie man es hier sieht.
Insofern ist die Kopfab-Methode in der Fotografie möglich aber nicht immer die beste Wahl.
Die Beispiele zeigen, daß es auch durch Unkenntlichmachung auf vielfältige Weise möglich ist.
Zum Schluß noch ein anderes Foto, welches gerade dadurch auffällt, daß es einen Kopf zeigt:
So ist es mit der Fotografie wie mit der Welt – es kommt immer darauf an.
Aber hier endet der Artikel noch nicht.
Denn im Gegensatz zu Deutschland kann man mit Kopfab-Streetfotografie im Ausland Finalist in internationalen Fotowettbewerben werden.
Es handelt sich bei diesem Artikel also nicht um eine weltfremde Auseinandersetzung theoretischer Aspekte der Fotografie sondern um Debatten, die das Weltformat von Streetphotography bzw. Straßenfotografie betreffen.
Aber es gibt auch den umgekehrten Fall. Dem Fotografen Chris Killip wurde einmal verweigert, mit dem Foto Torso an einer Fotoausstellung teilzunehmen, weil es wegen des fehlendes Gesichts kein Porträt sei.
Es kommt eben immer darauf an wo und wann.
In diesem Sinne
Text 1.1