Immer mehr Menschen machen und benutzen Fotos.
Das liegt an der Nutzung von Smartphones mit den eingebauten Kameras und den Verteilungsmöglichkeiten in sozialen Netzwerken.
So ändern sich durch neue technische Geräte die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie.
Neben den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie ändert sich auch der Gebrauchswert der Fotos.
Je mehr Fotos desto höher der Gebrauchswert und desto niedriger die Gebrauchsdauer in den meisten Fällen.
Dabei kommt es auf die Funktion der Fotos an.
Hinzu kommt aber noch etwas, die Nutzung der Fotos als Teil der eigenen Lebensweise.
„Typisch dafür, wie man sich in der Weise des Habens an ein Gesicht oder eine Landschaft erinnert, ist die Art und Weise, wie die meisten Menschen ein Photo betrachten. Das Photo dient ihrem Gedächtnis nur als Stütze, um einen Menschen oder eine Landschaft zu identifizieren. Ihre Reaktion auf das Bild ist etwa: Ja, das ist er, oder Ja, da war ich. Das Photo wird für die meisten zu einer entfremdeten Erinnerung.“
Als Erich Fromm dies schrieb gab es noch keine digitale Fotografie und noch keine Smartphones.
Aber er beschrieb die Lebensweise des modernen Menschen in unserer Konsumgesellschaft.
Dies hat sich logisch fortentwickelt.
Fotos dienen heute zunehmend dem Austausch von konsumierten oder zu konsumierenden Dingen jeder Art.
Und man sammelt sie, man hat sie im Album.
Davon lebt mittlerweile eine ganze Industrie mit Communities.
Bilder teilen als neue Kommunikation.
Es geht sogar so weit, daß es darauf ankommt, wer als erster einen Eindruck aufgenommen hat, wer die Fotos hat.
Es geht um Augenblicke haben – auch im Wortsinn.
Hat kommt von haben. Diese Art mit Fotografie zu leben ist nicht das, was ich meine.
„Erinnern in der Weise des Seins ist aktives Tun, mit dem man sich an Worte, Gedanken, Anblicke, Bilder und Musik ins Bewußtsein zurückruft. … In der Existenzweise des Seins impliziert Erinnern, etwas ins Leben zurückzurufen, was man einmal gesehen oder gehört hat.“
Die Fotografie kann nun sehr helfen, vom Haben zum Sein in der Lebensweise zu kommen.
Das ist allerdings revolutionär, weil es fast allem widerspricht, was aktuell an Gedanken und Ideen sozial akzeptiert ist.
Aber das Fotografieren kann dies alles sehr deutlich machen. Wer nur Fotos macht und diese sammelt ohne vorher in einer Situation mit allen Sinnen zu sein, also diese konzentriert wahrgenommen hat, der sammelt Erinnerungen in der Existenzweise des Habens.
Wer dagegen in einer Situation ist und dann ein Foto macht und dies später sieht, der nimmt alles wahr und wechselt für diesen Moment in die Existenzweise des Seins.
Das kann man selbst ausprobieren und so immer wieder versuchen, bei sich selbst zu sein.
Jeder kann es tun, wenn er/sie die eigene Fotosammlung durchstöbert. Wo Gefühle und Bilder wachsen ist man dabei gewesen, bei den anderen Fotos eher nicht.
Smartphones und das Teilen von Fotos, insbesondere auf Facebook, sind fast ausschließlich entfremdete Inhalte. Ihr Zweck erschöpft sich darin, geteilt zu werden, wenn es sich nicht um Fotos handelt, die von einem Ereignis sind, bei dem selbst war und das man mit allen Sinnen erlebt hat.
Wer von der Fotografie nicht leben muß, der kann jetzt mit der Fotografie leben, wenn dies alles Teil des eigenen Erlebens wird.
Übrigens können Sie sich dies alles an dem Foto klar machen, das diesen Artikel ziert. Es zeigt Schnee und einen Menschen. Man kann sich jetzt daran erinnern, wo das war und ob dies alles heute noch aussieht oder man war dabei und erinnert sich daran, wie die Luft war, wer da wie vorbeiging, wie dick die Schneeflocken waren, wie das Foto entstand und vieles mehr.
Dann wird aus dem Foto, das ich habe, eine Erinnerung an einen Moment des Seins.
Abschließend ein Nachtrag. Dieser Artikel war fertig und publiziert. Einen Tag danach flattert mir die photonews ins Haus.
Dort finde ich dann im Leitartikel „Ein Nachruf auf das Selfie“ den folgenden Satz von Torsten Scheid: „Mit dem Selfie hat sich die Fotografie entgültig zu einer Form oberflächlichen Geplauders entwickelt… Es geht beim Selfie nicht um Bilder, sondern um Belege des Existierens und des Dabeigewesenseins.“
Ich habe existiert, ich bin da?
So treibt das Thema viele um und die Ergebnisse ähneln sich sehr.